Ein Bericht von „Innen“

An die 1000 Sänger aus über 30 Dresdner Kantoreien gratulierten unter der Leitung von Kreuzkantor Kreile zum 800. Jedenfalls war die halbe Kreuzkirche gefüllt. Warum aber begeben sich so viele Menschen in einen wochenlangen Probenprozeß mit zwei aufregenden Endproben? Viele nach den anstrengenden Passionsmusiken. Natürlich sind Eltern und Großeltern von heutigen und ehemaligen Kruzianern darunter. Und mancher Tenor oder Baß war selbst einst Kruzi. Vor allem aber, weil dieser Chor ganz selbstverständlich zu Dresden gehört.

Die eher unbekannten Werke haben wir in Kantoreiproben lieben gelernt. Die beiden Endproben mit je 500 Sängern gaben noch keinen Blick aufs Ganze, aber die Ahnung, an etwas Großem, Schönem teilhaben zu dürfen.

Es war ein geheimnisvolles Gefühl des Wiedererkennens und der Zusammengehörigkeit, als am trüben, regnerischen Samstag gegen 13.30 Uhr alle Straßenbahnen Richtung Innenstadt sich mehr und mehr mit schwarz gekleideten Fahrgästen füllten. Was hätte noch gefehlt, um schon mal das Laudate Dominum anzustimmen?

Mit dieser kleinen Motette von Robert Jones begann die Generalprobe, in der zum ersten Mal alle Kantoreien, der Kreuzchor, Kreuzorganist Holger Gehring und Bläser der Staatskapelle zusammenkamen.

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Zu sagen, wir gingen mit einer frohen Stimmung in die kurze Pause, wäre gelogen – die meisten wußten, sie würden ohne Sicht zum Kreuzkantor singen müssen. Alle würden sehr genau aufeinander hören müssen.

17.00 Uhr, die Kirche voll bis in die 2. Empore, die Glocken läuteten die Stille ein. Dann begann das Konzert, über das Roderich Kreile sagen wird: das werden unsere Nachfahren zur 900-Jahr-Feier nicht überbieten können.

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Ich weiß, Ihr werdet es mir nicht glauben, aber ich schreibe es trotzdem, weil es stimmt:

Zum Höhepunkt des Konzerts, als die “Messe brève” von Dubois begann, als ein nie gehörtes “Kyrie eleison” mit einem solchen tausendkehligen Flehen sich gegen das Kirchendach stemmte und erst dort nicht weiterkam, in diesem Moment rissen die Wolken auf und die 50er-Jahre-Tristesse der Nachbarhäuser strahlte auf. Herr, erbarme dich!

Es ist zwar so, dass Gänsehaut vom Singen ablenkt, aber es ist so unglaublich schön! Gefährlicher wird es am Schluß des “Gloria”, wenn in nicht enden wollenden Akkorden das “Amen” Zeit hat sich über allen Köpfen auszubreiten: da konnte es dem einen oder anderen passieren, dass die Luft knapp wurde, weil ihnen etwas die Kehle zuschnürte.

Neben den anderen Gruppen unter den beiden Kirchenmusikdirektoren Weigert und Trepte und Kantor Rüger brachte unsere Gruppe unter Leitung der Briesnitzer Kantorin Alexandra Skiebe noch einmal einen anderen Ton in den Abend mit der flippigen Jazzmotette “Jubilate”

Schließlich erhob sich die Gemeinde, um dem zu danken, der dieses Konzert erst möglich gemacht hat. Nicht demütig sondern wie eine Hymne singen Chöre und Gemeinde “Großer Gott, wir loben dich”. Singen? Sie donnern es nach Kräften, hinaufgerissen von der Orgel und feierlich umjubelt von den Bläsern.

Irgendjemand wird sich demnächst die Mühe machen müssen, das Glas der Kirchenfenster zu überprüfen.
Nicht mehr an diesem Abend. Denn der wird beendet, wie man sehnlicher einen Abend nicht beenden kann: mit Rheinbergers Abendlied. “Bleib bei uns, denn es will Abend werden” und sicher werden manche noch beieinander geblieben sein.

Haiko Seifert